Manchmal steckt der Teufel im Detail.
Das Ergebnis einer Teilaufgabe ist nicht richtig und der Prüfling arbeitet mit diesem Ergebnis weiter. Folglich ist das Gesamtergebnis ebenfalls falsch, obwohl der Lösungsweg möglicherweise korrekt war. Man spricht hier von einem sogenannten „Folgefehler“. Wie ist die Prüfungsleistung zu bewerten?
Die Verwaltungsgerichte sind sich einig, dass der Prüfer zu beurteilen hat, wie der Folgefehler im Einzelfall zu gewichten ist. Der dem Prüfer eingeräumte Beurteilungsspielraum ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar.
Was sollte der Prüfer in dieser Situation beachten?
Zunächst hat bei Folgefehlern das Gebot der vollständigen Kenntnisnahme der Prüfungsleistung durch den Prüfer bzw. den Prüfungsausschuss besondere Bedeutung. Grundsätzlich muss der Prüfer auch die Ausführungen des Prüflings zur Kenntnis nehmen, die dieser nach seiner falschen Weichenstellung bei der Lösung gemacht hat.
Im einfachsten Fall eines Folgefehlers – zwei Zahlen werden versehentlich falsch addiert und auf dieser Grundlage entsteht der Folgefehler – bedeutet dies: Der Prüfende muss sich die Mühe machen und den weiteren Rechenschritt mit dem falschen Teilergebnis aus dem vorhergehenden Aufgabenteil nachrechnen. Kommt er dann zum gleichen Ergebnis wie der Prüfling, gilt für die Bewertung: Es ist empfehlenswert, Teilpunkte zu vergeben und den zweiten Rechenschritt als richtig zu bewerten. Eine Bewertung mit null Punkten, nur weil das Zwischenergebnis falsch ist, wäre unzulässig.
Benutzt der Prüfling darüber hinaus aber auch unzutreffende Rechenformeln oder setzt falsche Vorzeichen, so ist der Prüfer keineswegs verpflichtet, den Folgefehler automatisch anzuerkennen. Denn die Gerichte sind der Auffassung, dass ein Prüfling „nicht noch mehr falsch machen kann als mit unrichtigen Zahlen und unzutreffenden Rechtsformeln zu arbeiten“ (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 7.4.1997, Az.: 9 S 1955/96).
Berufliche Prüfungen bestehen jedoch nicht nur aus rein mathematischen Rechenschritten. Sie sind komplexer, denn mit den gestellten Aufgaben werden die beruflichen Handlungs- und Beurteilungskompetenzen insgesamt festgestellt. Die Frage nach dem Umgang mit Folgefehlern ist daher nicht immer so einfach zu beantworten wie bei einer Rechenaufgabe.
Beispiel: Eine berufsfachlich falsche Annahme des Prüflings am Anfang des Lösungsweges führt trotz weiterer, logisch richtiger Vorgehensweise zu einer fachlich falschen Lösung. Hier greift der volle Beurteilungsspielraum der Prüfer. Entscheidend für die Bewertung ist hier, wie wesentlich die falsche Annahme für die Lösung der Aufgabe war. Es besteht, auch beim Vorliegen eines Folgefehlers, die Möglichkeit, aber keine Verpflichtung, die logisch richtige weitere Vorgehensweise gesondert zu bewerten. Dies bestätigt auch das Verwaltungsgericht Magdeburg in einem Urteil vom 25.05.2016 (Az.: 3 A 1154714).
Leitsatz Einen gerichtlich anerkannten Bewertungsgrundsatz dahingehend, dass Folgefehler positiv berücksichtigt werden müssen, gibt es nicht.
Insbesondere besteht für die Prüfer keine Pflicht, einen richtigen Berechnungsmodus bei falschem Ergebnis positiv zu bewerten und deshalb innerhalb der Einzelbewertungen weitere Differenzierungen des Prüfungserfolges einzuführen. Zu prüfen ist also - nach vollständiger Kenntnisnahme der gesamten Prüfungsleistung –, ob der Ursprungsfehler im Hinblick auf die darauf aufbauenden richtigen Lösungen eher unerheblich ist oder aber so immanent ist, dass sich daraus in der Folge keine brauchbare Lösung entwickeln lässt. Bei der Beschlussfassung sollten diese Erwägungen nachvollziehbar dokumentiert werden.
Grundsätzlich ist es auch sinnvoll, schon bei der Erarbeitung der Aufgabenstellung die Gefahr von Folgefehlern zu minimieren. Die kann zum Beispiel durch zusätzliche Vorgaben für einen folgenden Aufgabenteil in der Aufgabenstellung erfolgen.
Aus: IHK Prüfungspraxis 02/2018
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